Jung, erfolgreich, weiblich. Sexismus in der Arbeitswelt

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In meiner ersten Karriere habe ich ein Unternehmen gegründet und über die Jahre groß gemacht.

Begonnen als Einzelunternehmen mit vielen Miniumsätzen, dann immer größer mit namhaften Kunden und großen Verträgen. Im Laufe der Jahre wuchs die Firma zunächst auf 100 Mitarbeiter, dann, nach einem schweren Einbruch durch Betrug und Missmanagement meiner Partner, zurück auf 34. Fast hätten wir aufgeben müssen. Dann, durch großes Ärmelaufkrempeln und kompletten Umbau, kamen wir wieder auf Wachstumskurs. Beim Verkauf 8 Jahre später zählte das Unternehmen stolze 200 Mitarbeiter.

Mit viel Herzblut und Engagement hatten wir es geschafft, die enge Nische der Edel-Dienstleister für Empfang, Telefonzentrale und Konferenzraumbewirtschaftung zu besetzen. Unsere Kunden waren namhafte Marken der Wirtschaft, Medien, Mode und Beratung. Unsere Belegschaft bestand zu 87% aus schönen, mehrsprachigen Frauen und 13% repräsentativen Männern aus der Sternehotellerie, die wir in überall im Land beschäftigten. Wenn du an einen Schalter in der Lufthansalounge denkst, dann hast du ein Bild unseres Alltags.

Kannst du dir vorstellen, wie viel Sexismus dir begegnet, wenn du als junge, hübsche Unternehmerin eine Dienstleistung verkaufst, in der Schönheit und Freundlichkeit zum Wesen der angebotenen Services gehören? Ob vor Ort oder bei Verhandlungen auf C-Level: Überall begegnete ich Männern, die Spaß daran hatten, schönen jungen Frauen ihre Gunst in Aussicht zu stellen. In ihrem überwiegend recht grauen Alltag weckte die Aussicht auf unsere Dienstleistung lebhafte Fantasien bei unseren Auftraggebern. Was ich über Qualität, Nachtbereitschaft, Einarbeitungs- und Bildungsstandards erzählte, wurde nur am Rande wahrgenommen. Wichtig war: „Welches weibliche Wesen wird täglich mein Auge erfreuen? Und: Ein attraktiver, freundlicher Mann? Ach nein, danke!“

Sobald die Kunden einen Vertrag unterzeichnet hatten, schlich sich das unangenehme Gefühl, die Jagdsaison sei eröffnet, ein. Es ging mit harmlosen Komplimenten los. Dann wurden die Andeutungen konkreter, griffen einzelne Aspekte des Aussehens oder die „sexy“ Ausstrahlung auf. Dabei vermied ich bewusst, meine Reize zu zeigen, trug überwiegend diese langweiligen dunklen Anzüge mit heller Bluse, die in vielen Firmen zum guten Ton gehören und steckte mein langes Haar hoch. Im Laufe der Zeit wurden die Andeutungen deutlicher. Essenseinladungen wurden ausgesprochen, aber bitteschön nur für den Abend. Manche fabulierten, wie es wohl wäre, mir in der Sauna zu begegnen. Einige Herren in einflussreichen Positionen gingen so weit, offen von einer Nacht mit mir zu träumen. Wenn dann eine große Ausschreibung zur Verlängerung oder Ausweitung des Vertrages anstand, nahmen sie das zum Anlass, mir eine Geschäftsreise in ein schickes Hotel nahezulegen, um unseren Chancen „schöne“ Beine zu machen. Anfangs nahm ich solche Bemerkungen noch als Jux und lächelte mein unangenehmes Gefühl charmant weg, doch mit jeder Begegnung wurde der Druck erhöht und die Forderung konkreter. Da war nichts mehr wegzulächeln. Ich musste Position beziehen.

Ganz ehrlich: Mit drei Kindern, die ich zu ernähren hatte, fiel mir das nicht immer leicht. Manche Kunden waren recht attraktiv und die Zusammenarbeit hatte inzwischen einen freundschaftlichen Charakter. Der Kontakt und Austausch mit diesen teils sehr klugen Männern machte mir Spaß. In manchen Momenten ertappte ich mich bei dem Gedanken: „Ach komm, stell dich nicht so an.“

Dann wurde mir klar, dass eine ganz andere Motivation als Abenteuerlust am Werk war: Die alte Angst der Frauen aus etlichen  Jahren in der Abhängigkeit. Sex gegen Versorgung galt jahrhundertelang als Gesetz. Und das sitzt tief in unserem kollektiven Gedächtnis. Mein Kopf qualmte: „Ist es meine Schuld, dass er so weit geht? War ich zu offen, habe ihn ermuntert? Darf ich einen mächtigen Mann zurückweisen? Was ist, wenn er aus Scham und Kränkung Rache nimmt? Ist unsere Existenz dann noch sicher? Was geschieht mit den Kindern und den Mitarbeitern, wenn wir pleite gehen? Darf ich so egoistisch sein, sie in Gefahr zu bringen? Und schließlich: Wie werden wir uns künftig begegnen? Die bisherige Leichtigkeit ist mit meinem Nein vorbei. Aber wenn ich Ja sage, sitze ich auch in der Falle.“

Welcher Mann würde sich so einen Kopf machen, nur, weil er einer Frau einen Korb gibt?

Für uns  gelten andere Regeln. Meist haben wir sie von unseren weiblichen Vorfahren gelernt: Charmant und sanft musst du bleiben. Bloß nicht allzu offensiv deinen Fluchtreflex zeigen, sonst findet „Er“ dich zickig oder prüde. Aber die Grenze musst du schon ziehen, sonst bist du eine Schlampe. Diese und weitere abwertende Stereotype arbeiten wir in endlosen Gedankenschleifen durch. Dabei sind wir die ganze Zeit im Überlebensmodus: Flucht oder Kampf? Beides ist keine Option. Also Erstarren, Stillhalten, Schweigen, es über dich ergehen lassen, tapfer weiterlächeln.

Sexismus zieht sich mit einer erschreckenden Selbstverständlichkeit durch die Wirtschaft. Das erleben auch viele meiner Klientinnen. Egal, wie alt sie sind, sie drehen sich in demselben Gedankenkarussell. Einmal nahm ich an einer Ausschreibung eines international aufgestellten, sehr eleganten Beratungsunternehmens teil. Wir arbeiteten bereits seit einiger Zeit für sie und nun kam die Chance auf den ganz großen Auftrag. Ein großer Sprung nach vorne wäre das gewesen. Entsprechend warfen wir uns ins Zeug und präsentierten in Hochglanz. Der Bewerbungsprozess lief top, bis sie uns aufforderten, das zum Einsatz vorgesehene Team in einem Schaulaufen vorzustellen. Mir schwante Unheilvolles. Dennoch präsentierten wir unser handverlesenes, brillant vorbereitetes Team im schicken Outfit mit Firmenfarben und dezentem Make-up. In der Empfangshalle warteten schon die Damen eines Bewachungsunternehmens – alle im Escort-Style mit ultrakurzen Röcken, hohen Absätzen, Push-ups, dunklem Augen-Make-up und auffällig blond.

Wir verloren die Ausschreibung „als Zweitbester“. Kurze Zeit später erfuhr ich hinter vorgehaltener Hand von einer Mitarbeiterin des Gewinners, dass man dem männlichen Anbieter auf Vorstandsebene den Wink gegeben hatte, man möge ein Team zusammenstellen, das Lust hätte, sich „abends noch etwas hinzuzuverdienen“. Wenn Du jetzt laut ausatmest: so ging es mir auch.

Sexismus gibt es natürlich auch bei Frauen. Ging es bei den Männern zuvorderst um optische Reize, so duldeten die weiblichen Personalverantwortlichen oft in ihrem Haus keine allzu schönen Exemplare unseres Geschlechts. Neid und die Angst um die eigene Position gegenüber Vorgesetzten war die Triebfeder. Interessanterweise zeigte eine lesbische Personalleiterin bei einem Modelabel ähnliche Tendenzen wie die Männer in den anderen Firmen: Sie hegte eine Vorliebe für Blondinen und setzte mit Druck ein dreiköpfiges Team blonder Empfangshostessen mit Konfektionsgröße 36 ab einem Körpermaß von 1,75 m durch. Auch die optimale Körbchengröße wurde hinter verschlossenen Türen erwähnt. Ich riet ihr dringend ab, redete mir den Mund fusselig. Keine Chance. Erst nach einigen unerfreulichen Zusammenstößen zwischen den drei Damen mit derselben Zielgruppe sah sie ein, dass ein optisch homogenes Team nur auf dem Laufsteg ein Gewinn ist.

In diesem Dschungel aus Begehrlichkeiten galt es, meinen Weg zu finden. Wenn ich zurückblicke, bin ich stolz, nie mit einem Kunden in ein schickes Hotel oder eine Edelsauna gegangen zu sein und auch meine Mitarbeiterinnen vor jeglichen Übergriffen geschützt zu haben. Im Zweifel ließ ich den Kunden fallen und hielt das Personal. So navigierte ich auf schmalem Grat durch die Chefetagen: Gewinnend, aber mit gedimmtem Sexappeal. Manchmal holte ich mir eine Blessur. Glücklicherweise hilft das Älterwerden in diesem Aspekt: Die erfreulichen Erfahrungen mehrten sich. Plötzlich zeigten die Gesprächspartner mehr Interesse an Qualität und Zuverlässigkeit als an meinem Äußeren. Sieh an.

Hätte ich damals eine Mentorin gehabt, die über profunde Erfahrung in der Männerwelt mit ihrem Konglomerat aus Macht, Geld und Jadginstinkt verfügte, wäre mein Weg sehr viel leichter gewesen. Aus diesem Grund habe ich mich dafür entschieden,  in meiner zweiten Karriere anderen Frauen den Rücken zu stärken. Ich stehe hinter ihnen, flüstere ihnen mein Wissen zu, unterstütze bei kniffligen Situationen und mache auch mal Mut, laut und deutlich NEIN zu sagen.

Ich trete dafür an, gemeinsam unsere Gesellschaft so umzuformen, dass jeder Mensch – unabhängig von seinem Geschlecht und Aussehen – anderen respektvoll und wertschätzend begegnet. Und dass jede:r seine persönliche Grenzen kennt und mit großer Selbstverständlichkeit dafür einsteht.

In so einer Welt würde ich glatt noch einmal ein Unternehmen gründen.

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